Erfolgsfaktoren
Die aufgeführten Erfolgsfaktoren sind aus dem Projekt „Marktplatz der biologischen Vielfalt“ abgeleitet. Ihre Auswahl stützt sich sowohl auf Rückmeldungen aus den Modellkommunen als auch auf die Einschätzungen der Trägergemeinschaft, der Förderer und Unterstützer des Projekts. Neben grundsätzlichen Notwendigkeiten für den kommunalen Biodiversitätsschutz werden die entscheidenden Faktoren rund um die gemeindespezifischen Strategien und für eine langfristige Verstetigung des Engagements aufgeführt.
Politische Position
Die elementarste Grundlage für einen umfassenden, wirkungsvollen und nachhaltigen Schutz der biologischen Vielfalt auf kommunaler Ebene ist die Überzeugung der politischen Vertreterinnen und Vertreter sowie insbesondere der ersten Bürgermeisterin oder des ersten Bürgermeisters. Schätzen sie die Biodiversitätkrise als Gefährdung richtig ein, erkennen sie die Notwenigkeit zum entschlossenen Handeln an und akzeptieren sie den Biodiversitätsschutz als Kriterium für ihre Entscheidungsfindungen, dann wird sich daraus eine konsequente Vorgehensweise im Sinne der biologischen Vielfalt entwickeln.
Ihre Überzeugung sollte die Kommunalpolitik mit Haltung und Beharrlichkeit aktiv in die Öffentlichkeit tragen. Der Schutz der Biodiversität verlangt die Anpassung der Ziele der Kommunalentwicklung und gesellschaftliche Verhaltensänderungen. Wie immer, wenn Wandel notwendig wird, und speziell, wenn dieser verhältnismäßig schnell erfolgen soll, verstärken sich Beharrungskräfte oder es tritt vereinzelt Widerstand auf. Da der Biodiversitätsschutz unter anderem den Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen bedeutet, muss viel politische Energie und Geduld in kontroverse Auseinandersetzungen und die argumentative Überzeugung einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit fließen, um dem Thema zu einem möglichst schnellen Durchbruch zu verhelfen.
Im Projekt „Marktplatz der biologischen Vielfalt“ war bereits für die Teilnahme ein positiver Beschluss des Kommunalrats gefordert. Nach Fertigstellung der Strategien wurden diese von den Gremien als Bausteine der Kommunalentwicklung per Beschluss angenommen. Zusätzlich haben einige Kommunen über langfristige Zielsetzungen oder umfangreiche Maßnahmen per Einzelbeschluss abgestimmt, um ihre Zustimmung ausdrücklich zu belegen.Trotz der Möglichkeit die Beschlüsse wieder aufzuheben, sind sie die expliziteste Form demokratischer Willensbekundung und damit die stärkste Legitimation für den Einsatz für die Biodiversität. Sie dienen im Anschluss allen aktiven Akteurinnen und Akteuren als Auftrag für ihr Handeln.
Finanzielle Ausstattung
Die finanzielle Ausstattung ist sicherlich nicht der entscheidende Faktor für erfolgreichen Biodiversitätsschutz. Andererseits müssen kommunale Haushaltsmittel in gewissen Umfang für Konzepte, Maßnahmen und Bewusstseinsbildung zur Verfügung stehen. Im Vergleich mit anderen Aufgaben der Daseinsfürsorge, die Kommunen erfüllen, sind die aufzuwendenden Beträge im Biodiversitätsschutz in der Regel von geringer Höhe.
Für eine kommunale Biodiversitätsstrategie sollte ein einmaliger Betrag von 35.000 bis 55.000 Euro eingeplant werden. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Erstellung in Bayern über die Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinien (LNPR) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert werden. Bundesweit bietet sich ein Antrag für den Förderschwerpunkt Stadtnatur des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz an. (Anmerkung: die Informationen zu Förderoptionen beziehen sich auf den Kenntnisstand zum Dezember 2021)
Für Maßnahmen über alle Handlungsfelder hinweg sollten jährlich zwischen 10.000 und 30.000 Euro bereitgestellt werden. Aufgrund der zahlreichen Fördermöglichkeiten, die für Umsetzungen und Bewusstseinsbildung zur Verfügung stehen, dient die Summe überwiegend zur Übernahme von Eigenanteilen. Geht man von Förderquoten von 50 bis 90 Prozent aus, können damit Maßnahmen von 20.000 bis maximal 300.000 Euro finanziert werden. Für einen ersten Überblick über die Fördermöglichkeiten im Biodiversitätsschutz bieten sich zunächst Anfragen an die zuständigen Behörden der Naturschutz- und Landwirtschaftsverwaltung sowie, bei Gewässerbezug, der Wasserwirtschaft an. Landes- und Bundesprogramme der entsprechenden Ministerien ergänzen die Regelförderungen mit schwerpunktbezogener finanzieller Unterstützung. Weitere Optionen bieten öffentliche und private Stiftungen, deren Zweck die Förderung des Naturschutzes beinhaltet.
Vergleichsweise höhere Kosten können nicht-förderfähige Anschaffungen oder Maßnahmen verursachen. Ein konkretes Beispiel hierfür wäre die Umstellung der Pflege kommunaler Grünfstreifen und -flächen auf biodiversitätsschonende Verfahren. In diesem Zusammenhang kann die Umrüstung der maschinellen Ausstattung des kommunalen Bauhofs zu einem hohen einmaligen Mehraufwand führen. Ein höherer Personaleinsatz oder ein erhöhter Aufwand für externe Dienstleister können die regelmäßigen Ausgaben im kommunalen Haushalt steigern.
Kommunale Biodiversitätsstrategie
Folgende positive Effekte aus dem Prozess der Strategieerstellung und aus der Strategie selbst sprechen dafür, den kommunalen Biodiversitätsschutz strategisch in die Kommunalentwicklung zu integrieren und sich am standardisierten Verfahren aus dem Projekt „Marktplatz der biologischen Vielfalt“ zu orientieren.
Der Strategieprozess beinhaltet die systematische, flächendeckende Betrachtung des kommunalen Gebietes im Hinblick auf die aktuelle Situation der biologischen Vielfalt, ihre Chancen und ihre Risiken. Der hervorzuhebende Mehrwert gegenüber der klassischen Raumplanung entsteht durch die Berücksichtigung der Bewusstseinsbildung, des Naturerlebens und der Wertschöpfung. Die Biodiversitätsstrategien werden dadurch zu räumlich wie gesellschaftspolitisch umfassenden Instrumenten, um beim Erhalt der biologischen Vielfalt voranzukommen.
Den Umfang der Strategie von Beginn an auf 24 inhaltliche Seiten zu begrenzen, hat in der Rückschau auf das Projekt zwei Vorteile mit sich gebracht. Zum einen wurde von der Planung über die Erarbeitung der Inhalte bis zur textlichen Ausarbeitung konsequent darauf geachtet, den Fokus auf den wesentlichen Aspekten des kommunalen Biodiversitätsschutzes zu halten. Abschweifende Diskussionen, die aufgrund der Wechselwirkungen zwischen der Biodiversität und zahlreichen kommunalen Themen unvermeidbar sind, konnten dadurch effizient auf den Kern zurückgeführt werden. Zum anderen ist es gelungen, die wesentlichen Informationen für die Leserinnen und Leser in kurzer Zeit zugänglich zu machen. Sämtliche eingegangenen Rückmeldungen aus den Projektkommunen und von sonstigen Beteiligten oder Interessierten hoben die Übersichtlichkeit, den Praxisbezug und die Fokussierung aufs Wesentliche als besonders positiv hervor.
Ein dritter Erfolgsfaktor war die enge Einbindung zahlreicher interdisziplinärer Akteurinnen und Akteuren sowie von Interessenten aus der Bürgerschaft. Der durchweg partizipativ angelegte Prozess führte zu einer echten Bottom-up-Entwicklung der Biodiversitätsstrategien. Durch den Austausch verschiedener Interessen, die Ergebnisfindung im Diskurs und die Begrenzung der nachträglichen Bearbeitung auf die Vermeidung rein fachlicher Fehlentwicklungen sind die Biodiversitätsstrategien individuelle Produkte eine gemeinschaftlichen Zusammenarbeit geworden. Auf diese Weise entwickelte sich eine spürbare Identifikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Zielen der Strategien. Sie geben ihre positiven Erfahrungen und Einschätzungen in der Öffentlichkeit weiter, vergrößern die Akzeptanz und motivieren zum Einsatz für den kommunalen Biodiversitätsschutz.
Verstetigung
Ein Schlüsselfaktor für die langfristige Umsetzung der Strategien ist das verfügbare Zeitbudget des „Beauftragten für den Biodiversitätsschutz“ (= Kümmerer) in den Kommunen. Je umfangreicher die Zuständigkeit bei den ersten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern verortet war und ist, desto zeitkritischer ist die Organisation und Durchführung von Maßnahmen. Insbesondere in kleinen Kommunen, ohne explizite Naturschutzzuständigkeit in der Verwaltung, ist eine Unterstützung von aktiven örtlichen Gruppen und externen Fachstellen (z.B. Landschaftspflegeverbänden und Behörden) von entscheidender Bedeutung.
Als Erfolgsfaktor für die Verstetigung hat sich zum Ende des Projekts „Marktplatz der biologischen Vielfalt“ die Überführung der zeitlich begrenzten Workshopgruppen in dauerhafte Arbeitskreise erwiesen. Sie sollen sowohl die Umsetzung als auch die Evaluation der Strategien aktiv und konstruktiv begleiten. Besondere Bedeutung kann ein solches Gremium in Zeiten politischer Veränderung erlangen. Eingangs dieses Kapitels wird die Schlüsselfunktion der ersten Bürgermeisterin oder des ersten Bürgermeisters sowie des Kommunalrates betont. Verschieben sich die politischen Schwerpunkte aufgrund von personellen Änderungen oder thematischer Verdrängung, kann eine weitgehend politik-unabhängige Gruppe die Notwendigkeit des Biodiversitätsschutzes im Bewusstsein halten sowie, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Umsetzung der Strategien einfordern und vorantreiben.